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Vor 44 Jahren wurden die Einstreichen Neuhäusern in Berlin gegründet. In dieser Zeit baute die Band um Sängerin Blixa Cash nicht nur ihr ganz eigenes Sounduniversum auf, sondern suchte auch ständig nach neuen Vertriebskanälen und erfand das Crowdfunding mit. Am Freitag erscheint ein neues Album, das auf Live-Improvisationen basiert, „Rampen (apm: Alien Pop Music)“. Zuvor hatte Cash mit der APA über Knochenbrüche, sprechende Werkzeuge und das Dröhnen von Hubschraubern gesprochen.
APA: Du hast „Rampen“ schon einmal live gespielt und dann im Studio fertige Songs daraus gemacht. Dieses Mal war jedoch ein ganzes Album damit gefüllt. Sind diese Improvisationen für Sie eine Art Suche nach etwas Neuem?
Blixa Cash: Es ist nicht so sehr die Suche nach etwas Neuem. Was das Album homogenisiert, ist, dass es sich allesamt um Rampen der Tour 2022 handelt und alle auf den gleichen Instrumenten gespielt wurden, die wir dann ins Studio gebracht haben. Was bei Neubauten immer viel Zeit in Anspruch nimmt, ist die Recherche, die wir zunächst durchführen. Womit spielen wir also: Was funktioniert, was funktioniert nicht, welche neuen Materialien und Instrumente können wir herstellen oder bauen? Das ist alles weg.
APA: Sie sagen immer, dass man für das Problem Musik eine Sprache und eine Lösung finden muss. Wie war es dieses Mal?
Cash: Dieser Aspekt ist mir nicht erspart geblieben. Auf der Tour spielten wir jedoch unterstützte Rampen. Ich wollte nicht jede Nacht ins kalte Wasser springen und mich darauf verlassen, dass die göttliche Inspiration bei mir ist. Deshalb gab es die kleinsten Mindestvereinbarungen, zum Beispiel in dem Sinne, wer anfangen würde. Ich habe kleine Fragmente in meinen Teleprompter geladen, die ich irgendwann geschrieben, aber nicht weiterverfolgt habe. Diese bilden die Grundlage für die Skeletttexte, denen ich dann Fleisch und Körper hinzufüge. Dieser Teil der Forschung existiert noch und ich muss eine Lösung dafür finden.
APA: Hat sich dadurch der Umgang mit den Themen für Sie verändert?
Cash: Ja, das war definitiv der Fall. Aber ich konnte nicht genau sagen, warum. Ich habe eine Foundation gezaubert, mit der ich mich auseinandersetzen musste. Ansonsten stehe ich meist vor dem Nichts, weil erst die Musik entsteht und dann heißt es: Hey hey, das ist jetzt dein Problem. Aber dieses Mal war da etwas. Ich habe auch alles drin gelassen, die verschiedenen Schichten und Ansätze sind noch intakt. Es geht auch um die Notwendigkeit, die Sprache ganz aufzugeben. Im „Gesundbrunnen“ heißt es: „Meine Sprechwerkzeuge wollen mich nicht mehr.“ Und davor sind mehrere Wörter aufgetaucht, die es im Deutschen eigentlich nicht gibt oder bisher noch nicht gab. Dies ist ein Moment, in dem ich die Sprache bereits verlasse.
APA: Es eröffnet sich eine andere, fremde Welt, die bereits im Untertitel „Alien-Popmusik“ angedeutet wird…
Cash: Ich dachte, es wäre wieder an der Zeit, einen neuen Genrebegriff zu erfinden. Abkürzungen mit drei Buchstaben erfreuen sich großer Beliebtheit. „Geniale Dilletanten“ war damals eine notwendige Erfindung, um etwas zu beschreiben, für das der Journalismus keinen Namen hatte. Der neue Genrebegriff ist die Idee einer Popmusik, die nicht an Populismus grenzt, sondern Popmusik für die Andersartigen. Ich bin anders, ich bin seltsam, ich bin queer, ich bin fremd – aber es ist Popmusik. Und dann die Schrift auf dem Einband, ein seltsamer Bruch mit Jugendstilvorsprüngen. So muss es sein! Insgesamt zitieren wir das „White Album“ der Beatles, nur ganz in Gelb. Es ist ein bewusstes Spiel mit Zitaten. In einem Paralleluniversum sind wir die Beatles. (lacht)
APA: Im Opener singen Sie „Alles schon geschrieben, alles schon gesagt“. Ist es ein kreativer Antrieb, dem entgegenzuwirken?
Bargeld: Sicher. Ich habe es sozusagen nie ernst gemeint. (lacht) Aber es beschreibt, was mir in den nächsten Monaten passieren wird: Mir wird die Brust rausgefegt. Das Herumwühlen in meinem Geisteszustand und meinem Unterbewusstsein ist wie gewohnt präsent. Als wir mit den Aufnahmen begannen, hatte ich mir das Bein gebrochen und saß im Rollstuhl. Ich konnte nicht mehr schlafen und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Irgendwann habe ich mir die Freiheit gegeben und dieses Album mit den neuen Gebäuden aufgenommen. Irgendwie konnte ich in dieser Blase, in diesem Mutterleib noch operieren. Mit Menschen, die ich seit Jahrzehnten kenne, an Orten, die ich kenne. Ich war irgendwie sicher und geschützt – obwohl ich im Rollstuhl saß. Aber in diesem Zustand völliger Schlaflosigkeit ist die Perforation zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein natürlich viel ausgeprägter als normalerweise.
Das zeigt sich auch in Stücken wie „Everything Will Be Fine“: Es gibt sechs Takes, und in jedem sage ich etwas anderes. Ich habe es endlich konkretisiert und am 7. Oktober nach der „Tagesschau“ fertiggestellt: Hamas-Angriff und dann natürlich die Gesamtsituation, AfD, Rechtsruck in Europa und der Welt, wird Trump wieder Präsident? Dann entbrennt die Diskussion zwischen dem Paar: Wohin sollen wir jetzt gehen? Das spiegelt sich darin wider: „Alles wird gut, wer daran glaubt, wird glücklich sein.“ Gleichzeitig zynisch. Alle Dinge sind irgendwo in meinem Leben verankert und haben ihre Berechtigung und sind nicht nur sprachliche Konstruktionen. Die mehrfach vorkommende Beschäftigung mit Geschlecht und Identität ist in meiner Lebens- und Familiensituation präsent. Damit habe ich es zu tun und ich muss darüber nachdenken.
APA: Wie optimistisch sind Sie, dass die Menschheit aus all diesen Dingen etwas lernen wird?
Cash: Die Leute sagen nicht gerade, dass ich optimistisch bin. Sagen wir es so: Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Noch nicht, noch nicht. Dieses Stück, „Ick wees nich (nich nich)“, ist eine Improvisation aus Wien, aus der Arena. Dann dachte ich mir: Du bist beleidigt, ich gebe dir Berlinerisch zurück.
APA: Ihre neue Album-Tour beginnt im Herbst mit einem Open-Air-Auftritt in der Arena.
Bargeld: Ja! Das war kürzlich ein sehr schönes Konzert. Daneben befindet sich ein Rettungszentrum (ÖAMTC-Stützpunkt, Anm.). Dann flogen die Helikopter vorbei und ich dachte: Wow, so einen Auftritt hätte ich nie bezahlen können. Passt wunderbar, ich fand es gut.
APA: Was passiert mit Ihnen, wenn Sie auf die Bühne gehen?
Cash: Es ist bekannt, dass ich barfuß spiele. Auf der Bühne verlasse ich das normale Raum-Zeit-Kontinuum und betrete einen anderen Bereich. Es gibt einen gewissen Respekt vor der Bühnensituation. Ich lasse etwas draußen. Ich habe mich wahrscheinlich schon oft auf der Bühne verletzt, aber ich merke es nicht. Als ich in Rom von der Bühne fiel, beendete ich das Konzert mit einem gebrochenen Bein. Zuerst stand ich auf, dann brachten sie mir freundlicherweise einen Stuhl. Und dann war die Tour zu Ende. (lacht)
APA: Welche Rolle spielt Vergänglichkeit für Sie?
Cash: Irgendwann musste ich meiner Frau versprechen, dass ich das Thema nicht noch einmal diskutieren würde. Keine Lieder mehr über den Tod, danke! Aber ja, Vergänglichkeit, Zeit, Veränderung, es ist definitiv alles da. Es gibt auch noch ein paar offene Fragen, an denen ich weiterarbeiten kann. Musik machen ist für mich nicht nur eine Lösung eines Problems, sondern auch ein Versuch, Musik zu durchdenken. Also ein Versuch, Erkenntnisse zu gewinnen. Ich hoffe, dass ich das eine Weile tun kann.
(SERVICE – Tourstart ist am 5. September in der Wiener Arena; https://neuhäusern.org/de)
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