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Wasserstoff benötigt viel Energie – aus Quellen wie Solar- oder Windkraft. Während Österreich den Anschluss verliert, zeigt Spanien, wie es gelingen kann.
Er steht wie versteinert auf einem Hügel und blickt in die Ferne. Das Denkmal für einen Bergmann auf einem Hügel in Puertollano erinnert an eine vergangene Zeit, als der Kohlebergbau die Kleinstadt dominierte. Puertollano liegt rund 230 Kilometer südlich von Madrid. Lange Zeit gab es nur kleine Steinhäuser, rote Erde, eine karge Hügellandschaft – und Kohlebergbau. Heute ist Puertollano die Stadt mit der höchsten Industriedichte in der Region Kastilien-La Mancha und ein Pionier in Sachen Wasserstoff.
Vor 100 Jahren kamen Arbeiter aus dem ganzen Land hierher, um sich ein gutes Leben aufzubauen. Doch Anfang der 1970er Jahre wurde das Kohlebergwerk geschlossen. Stattdessen entstanden Chemiefabriken und eine Ölraffinerie. Zwei Kohlekraftwerke sind noch in Betrieb. Im modernen Industriegebiet an der Peripherie haben sich Unternehmen angesiedelt, die Anlagen zur Nutzung von Solarenergie herstellen. Iberdrola, der größte Stromproduzent des Landes, setzt hier ein Projekt zur Produktion von grünem Wasserstoff um.
Ölraffinerie mit Ablaufdatum
Kohle, Öl – jetzt Wasserstoff. Puertollano durchläuft die Klimawende im kleinen Maßstab. Und es sollte wirklich groß sein. Spanien will hier die größte Fabrik für klimafreundlichen Wasserstoff in Europa bauen. Schon von weitem sieht man die 25 Meter hohen weißen Wasserstofftanks in die Höhe ragen. Allerdings wird der Blick immer noch von der Ölraffinerie dominiert, auf deren Gelände sich die Tanks befinden. Auf dem Turm brennt noch immer die hohe Fackel. Aber es wird bald weg sein. Der Strom für den Elektrolyseprozess, bei dem Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten wird, soll künftig nicht mehr aus Öl, Gas und Kohle, sondern ausschließlich aus lokalen Solaranlagen stammen. Die Anlage auf den Hügeln ist bereits in Betrieb, deckt aber nur zehn Prozent des Bedarfs der angeschlossenen Düngemittelfabrik. Spanien will diesen Satz in den nächsten Jahren deutlich erhöhen.
Das dürfte machbar sein, denn das Land, das sechsmal so groß ist wie Österreich, hat viel Platz für Solaranlagen und Windkraftanlagen – und kaum Widerstand in der Bevölkerung.
In Österreich sieht es anders aus. Die Vorreiterrolle im Umweltschutz und bei erneuerbaren Energien gehört der Vergangenheit an. Das zeigen auch die Daten: Spanien liegt im internationalen Klimaschutzindex CCPI auf Platz 18, während Österreich mit Platz 32 im unteren Mittelfeld der EU liegt. Wie soll das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, aussehen? Kann der Plan des Nationalen Klimaplans, die Wasserstoffproduktion massiv auszubauen, erreicht werden?
In Spanien geht vieles schneller
„In Spanien geht vieles schneller und einfacher, wenn es um erneuerbare Energien geht“, sagt Richard Bandera, WKO-Wirtschaftsdelegierter in Madrid, gegenüber der WZ. Dies macht das Land zu einer lohnenden Investitionsmöglichkeit. Auch österreichische Energieversorger wie der Verbund investieren in Spanien, weil ihre Wachstumschancen hier größer sind als in Österreich.
Für sauberen Wasserstoff setzt Spanien auf den Ausbau von Windkraftanlagen und Solaranlagen. Madrid will seinen Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 von 24 auf 48 Prozent steigern. Kooperationen mit ausländischen Investoren wie dem Verbund sind gängige Praxis. Der größte österreichische Energieversorger setzt auf Spanien, weil er seine Ziele für mehr Energie aus Wind und Sonne im Portfolio schneller erreichen kann. In Österreich ist oft seit Jahren unklar, wie die behördlichen Abläufe beim Bau von Wind- und Solaranlagen ausfallen werden.
Grüne Jobs und mehr Frauen
Teresa Gallardo steht auf dem Solarpark Calatrava II. 62.000 Tafeln bewegen sich mit der Sonne von Ost nach West. Auch die Unterseite der Paneele absorbiert die reflektierte Sonnenstrahlung. Die 300 Hektar große Fläche wird zweimal täglich von Schafen beweidet, damit das Gras die Panelleistung nicht negativ beeinflusst. Die 35-jährige Spanierin ist Projektleiterin beim Verbund und zeigt mit ihrem Team, wie die Zukunft aussehen wird. „Die Mehrheit meiner Kollegen sind Frauen“, sagt sie. In Österreich ist das noch Zukunftsmusik. Laut OECD liegt die Frauenquote in grünen Jobs weltweit bei fast 30 Prozent. Spanien schafft dies fast, in Österreich sind Frauen in grünen Berufen stark unterrepräsentiert, obwohl ein Fünftel aller Arbeitsplätze hierzulande grüne Berufe sind. Für den Netzanschluss hat das Team seit Juli 2024 34 Millionen Euro in das Netz gesteckt, die Projektkosten. Der Verbund will in Spanien in den nächsten Jahren Anlagen mit einer Leistung von 2.350 Megawatt betreiben, dreimal so viel wie bisher. Demnächst sollen 19 Photovoltaikparks und einige Windparks entstehen.
Am Ende steht der begehrte Wasserstoff
Laut der Regierungsstrategie sollen bis 2030 80 Prozent des aktuellen Wasserstoffbedarfs in Österreich auf grünen Wasserstoff umgestellt werden. „Ein Gigawatt würde ausreichen, um den derzeit mit fossilen Brennstoffen erzeugten Wasserstoff vollständig zu ersetzen.“ Aber der Weg bis zu diesem Ziel ist noch lang“, sagt Alexander Trattner zur WZ. Der Forschungsdirektor des Hydrogen Center Austria rechnet vor: „Derzeit sind nur 18 Megawatt am Netz.“ Und wir wollen in sechs Jahren 1.000 Megawatt haben.“ Zahlreiche Großprojekte sollen in Kürze umgesetzt werden. So verfügt Energie Burgenland über eine Anlage mit 60 Megawatt, der österreichische Kunststoffhersteller Borealis wird in Linz eine größere Anlage realisieren und die OMV arbeitet an einem Projekt mit mehreren hundert Megawatt. „Ich sehe Schritte in die richtige Richtung. „Das wird wahrscheinlich nicht ganz klappen“, sagte der Wasserstoffexperte.
Der Mangel an grünem Wasserstoff zeigt sich auch beim Thema nachhaltiger Verkehr. Verbrennungsmotoren werden künftig nur noch mit Wasserstoff statt mit Benzin oder Diesel betrieben. Bedeutet das: kein Wasserstoff, kein Verbrennungsmotor? „Nein“, sagt Trattner. „Aber es wird tatsächlich länger dauern, bis es Fortschritte gibt.“ Wasserstoffautos enthalten Brennstoffzellen, die durch die Umwandlung von Wasserstoff und Sauerstoff Strom erzeugen. Dieses fließt dann in die Batterie. Zum Vergleich: „Vor zwanzig Jahren gab es gerade einmal 160 Elektrofahrzeuge. Im Jahr 2024 werden es rund 50.0000 sein. Derzeit gibt es in Österreich 70 Wasserstoffautos. Da sieht man, wohin es gehen kann.“ Vorrangig beim Einsatz von Wasserstoff seien aber ohnehin Schwerverkehr, Busse, Schiffe, Industrie und Flugverkehr, sagt Trattner. „Ich bin für die Batterie. In manchen Fahrzeugklassen ist die Brennstoffzelle jedoch die ökologisch bessere Lösung“, sagt Trattner. Die Zukunft besteht nicht aus „entweder oder“, sondern aus „sowohl als auch“.
Für Verbrennungsmotoren bedeutet das mehr erneuerbare Energien
ÖVP-Kanzler Karl Nehammer spricht sich seit langem gegen das Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 aus. „Ja zum Auto“ bedeutet auch, dass der Ausbau erneuerbarer Energien zügig und konsequent vorangetrieben werden muss. Der Verkehr ist für rund ein Drittel des weltweiten Energieverbrauchs und rund ein Fünftel der CO2-Emissionen verantwortlich2-Emissionen und ist damit eine der Hauptursachen der Klimakrise. Verbrennungsmotoren wird es künftig nur noch mit Wasserstoff geben. Die geplanten Verbesserungen in Form des Elektrizitätsgesetzes (Elektrizitätswirtschaftsgesetz EIWG) blieben vor den Nationalratswahlen auf der Strecke. Hier muss die künftige Regierung an Fahrt gewinnen.
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Informationen und Quellen
Genesis
Die Informationsreise zu erneuerbaren Energien in Spanien fand auf Einladung der Energiewirtschaft Österreich, des Verbunds und der Außenwirtschaftsabteilung der WKO statt.
Gesprächspartner
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Alexander Trattner, Forschungsdirektor am HyCenta (Hydrogen Center Austria) in Graz
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Richard Bandera, Wirtschaftsdelegierter der WKO in Madrid
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Teresa Gallardo, Projektleiterin des Verbund-Solarparks Calatrava II in Spanien
Daten und Fakten
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Grauer Wasserstoff: stammt aus fossilen Quellen und wird durch Dampfreformierung von Erdgas oder durch Kohlevergasung gewonnen, wobei das dabei entstehende CO2 gelangt dann in die Atmosphäre und verstärkt den globalen Treibhauseffekt.
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Blauer und türkisfarbener Wasserstoff: werden aus Erdgas gewonnen, dabei entsteht CO2 wird über Kohlenstoffabscheidung und das CO abgetrennt2-Zölle während der Produktion reduziert. Türkisfarbener Wasserstoff basiert ebenfalls auf Erdgas, bei der Pyrolyse wird jedoch Methan anstelle von CO verwendet2 Es entsteht fester Kohlenstoff.
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Grüner Wasserstoff: ist Wasserstoff, der mittels Elektrolyse aus Wasser und erneuerbarem Strom hergestellt wird. Die Produktion ist somit CO2-frei, wobei Sauerstoff als Nebenprodukt entsteht.
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Das erste Wasserstofffahrzeug wurde 1807 in Frankreich entwickelt. Das war lange bevor Benzin- oder Dieselmotoren erfunden wurden. Wasserstoff gilt mittlerweile wieder als Energieträger der Zukunft – und könnte das Verbrennerauto vor der Klimakrise retten.
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Wasserstoffanlage Puertollano: Der Stromversorger Iberdrola hat die größte grüne Wasserstoffanlage für den industriellen Einsatz in Europa in Betrieb genommen. Nach eigenen Angaben investiert das Unternehmen 150 Millionen Euro. Die Anlage produziert 100 Prozent Wasserstoff aus erneuerbarer Energie.
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Laut Appa Renovables, dem Referenzverband für den Sektor der erneuerbaren Energien in Spanien, lag der Anteil der Energie aus erneuerbaren Energien in Spanien im Jahr 2023 bei fast 24 Prozent
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Um 1 kg Wasserstoff herzustellen, werden rund 53 Kilowattstunden Strom benötigt.
Quellen
Das Thema in der WZ
Das Thema in anderen Medien
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