Black Friday oder: Wir schaffen uns selbst ab

Black Friday oder: Wir schaffen uns selbst ab

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Was der Black Friday damit zu tun hat, dass wir uns gerade selbst loswerden.

Falls es noch niemandem aufgefallen ist: Es ist eine Krise. Der Staat ist so verschuldet, dass es zu einem gewaltigen Sparpaket und/oder einem Strafverfahren der EU kommen wird. Immer mehr Menschen haben Konsumschulden, darunter auffallend viele junge Menschen unter 24 Jahren.

Gleichzeitig wurde mir zum Beispiel kürzlich in meiner Banking-App mit nur wenigen Klicks ein fünfstelliger Verbraucherkredit angeboten – 10.000 Euro direkt auf mein Konto, juhuu, und ich muss mehr als 12.000 zurückzahlen im Laufe der Zeit. Die Tatsache, dass mir das so direkt und so einfach angeboten wird, finde ich ehrlich gesagt wirklich dreist von meiner Bank. Vor allem das Timing: Heute ist Black Friday, die Weihnachtszeit hat gerade erst begonnen, in ein paar Wochen stehen wir auf der Mariahilfer Straße und sagen angesichts der Menschenmassen mit Einkaufstüten „Krise?“ Welche Krise?“ denken.

6.500 Insolvenzen bis Jahresende

Aber ja, wir haben eine Krise. Sogar mächtig. Immer mehr heimische Unternehmen geraten ins Straucheln. Nach Angaben des Kreditschutzverbandes (KSV) gingen in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 4.855 Unternehmen in die Insolvenz, das ist fast ein Viertel mehr als im Vorjahreszeitraum, aufgrund der „dynamischen Entwicklung“ rechnet der KSV mit 6.500 Insolvenzen bis zum Jahresende. Im Durchschnitt gehen in Österreich jeden Tag 18 Unternehmen in die Pleite. Es betrifft nicht nur kleine Unternehmen, sondern auch ganz große: Allein im Jahr 2024 gab es 60 Insolvenzen mit Schulden von jeweils mehr als zehn Millionen Euro.

Was sich wie trockene Zahlen liest, bedeutet in Wirklichkeit: Viele Menschen verlieren ihren Job und ihr Einkommen. Und doch bietet mir die Bank nichts an, nichts für Sie, nur Verbraucherkredite, die in vielen Fällen die bereits bestehende Verschuldung nur noch weiter erhöhen. Viele Menschen werden einen solchen Kredit aufnehmen, weil er eine Möglichkeit bietet, Mietrückstände und andere offene Rechnungen zu begleichen – und die Bank wird von diesen Menschen profitieren. W.. Aber zurück zum Thema Konsum.

Ja, es wird immer noch viel gekauft und verkauft. Besonders heute am Black Friday. Doch das Geld fließt nicht mehr an Orte, die Arbeitsplätze vor Ort finanzieren könnten. Amazon, Temu, Shein, sie alle machen Rekordverkäufe. Doch außer den Vorgesetzten der überlasteten und unterbezahlten Paketzusteller macht in Österreich niemand profitable Geschäfte mit diesen Unternehmen. Diese Online-Unternehmen können sich Witze wie den Black Friday gefallen lassen. Sie können problemlos einen Tag lang auf Margen verzichten, weil sie wissen, dass sie durch die schiere Einkaufsmenge tatsächlich mehr Gewinn erzielen als mit den üblichen Preisen.

Der Black Friday ist eher eine Krise als eine Chance

Das können heimische Unternehmen nicht leisten. Um „mitzuhalten“, müssten sie am Black Friday tatsächlich Angebote von minus 30 bis minus 50 Prozent präsentieren. Aber wenn es um die Wirtschaftlichkeit geht, ist dies einfach nicht mehr möglich – was einige von ihnen offen kommunizieren.

Was geht uns das als Verbraucher also an? Warum sollten wir nicht günstig einkaufen, wenn wir können? Letztes Jahr habe ich bereits über den Black Friday nachgedacht – doch was erst letztes Jahr und viele Jahre zuvor als Warnung geschrieben wurde, hat dieses Jahr Einzug gehalten: Große Unternehmen stellen Rekorde auf, kleine sterben in Scharen. Natürlich gibt es „Komplikulanten“ wie die finanziellen Herausforderungen durch Klimakatastrophen wie Überschwemmungen oder Hitzewellen, die durch Kriege verursachte Inflation, die (damit verbundenen) außer Kontrolle geratenen Energiekosten und so weiter. Doch eine gewisse Verantwortung kann uns als Verbrauchern nicht abgesprochen werden.

Das jüngste Beispiel: Wir kaufen – größtenteils online – die (völlig übertrieben) gehypte Dubai-Schokolade, gleichzeitig geht der lokale Schokoladenhersteller Hauswirth pleite. Aber es gibt noch andere Beispiele. Wir haben lokale Stoff- und Modeproduzenten, wenden uns aber an Zara, H&M und Co., die günstig produzieren können, weil die Arbeiter nur einen Hungerlohn bekommen. Wir kaufen Möbel aus billigsten Spanplatten (mit einer Innenausstattung aus Pappe!), die wir selbst zusammenschrauben und die nach ein paar Jahren nichts weiter als Müll sind, während lokale Schreinereien ums Überleben kämpfen.

Wir müssen umlernen. Bedauerlicherweise.

Nun, aber Moment, ist das nicht ein unglaublich moralistisches Argument? Du musst teuer kaufen, weil billig böse ist, unabhängig davon, ob du dir teuer leisten kannst oder nicht? Nein. Natürlich kann man das nicht in einen Kausalzusammenhang bringen; Viele von uns können sich nur Spanplattenregale oder Billo-Jeans leisten. Aber ich stelle mir die Frage, warum ist das so? Zwei Gedanken:

1. Könnte es sein, dass wir unser gesamtes Einkaufsverhalten neu erlernen müssen? Und sollten wir uns, wie unsere Großeltern, dazu entschließen, EINMAL im Leben ein Regal zu kaufen, statt jeden Handgriff zum Anlass zu nehmen, uns neu einzurichten, weil sich ein einmal zusammengebauter Ikea Graffl kaum wieder zusammenschrauben lässt? Kaufen wir teuer, weil wir billig kaufen? Eine Änderung des Kaufverhaltens würde bedeuten, dass man viel tiefer in die Börse eintauchen müsste. Aber ja, auch das ist nicht für jeden erschwinglich. Das war es nie. Und angesichts der Fülle des Angebots ist es auf Dauer fast unmöglich, ihm zu widerstehen. Ehrlich gesagt schaffe ich das trotz aller Kritik auch nicht. Aber viel wichtiger:

2. Ich habe den Eindruck, dass wir uns gerade selbst abschaffen. Wir alle werden unter den unvermeidlichen Sparpaketen stöhnen, steigende Energiekosten werden die Inflation weiter antreiben, das Leben wird noch teurer – und gleichzeitig verlieren hierzulande immer mehr Menschen ihren Arbeitsplatz, weil es die Produkte ihrer Unternehmen nicht mehr gibt verbraucht wird. Die Katze beißt sich in den Schwanz!

Ich war schon lange der Meinung, dass die Verantwortung nicht mehr in diesem Ausmaß auf die Verbraucher abgewälzt werden kann. Das „Mit deinem Portemonnaie hast du die Macht“-Argument ist im Grunde ein sehr neoliberales Narrativ über die Macht des Einzelnen, die es in dieser Form in der Regel einfach nicht gibt. Deshalb plädiere ich seit Jahren lautstark dafür, dass Unternehmen und Politiker ihren Teil der Verantwortung übernehmen müssen. Aber jetzt zurück zur Verbraucherverantwortung: Liebe Leute, es gibt NOCH viele heimische Angebote, die daher vergleichsweise strengen Umwelt- und Arbeitsgesetzen unterliegen. Damit das aber so weitergeht, müssen wir dieses Angebot nutzen, wir müssen dort einkaufen – statt am Black Friday Kubikmeterpakete bei den großen internationalen Playern zu bestellen.

Es wird nicht mehr ausreichen, am Black Friday so zu tun, als würde man nichts kaufen. Für eine funktionierende Wirtschaft – die wir einfach brauchen, so sehr es sich auch nach ÖVP-Sprache anhört – müssen wir unser Konsumverhalten von Grund auf neu erlernen, lernen, nah statt in die Ferne zu schauen. Der Realist in mir sieht das ungefähr in der gleichen Farbe wie den heutigen Freitag, aber der Optimist in mir wird die Hoffnung nie aufgeben.

Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte finden Sie auch bei ihr Autorenprofil.


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